Medizinnobelpreis 1965: François Jacob — André Lwoff — Jacques Monod

Medizinnobelpreis 1965: François Jacob — André Lwoff — Jacques Monod
Medizinnobelpreis 1965: François Jacob — André Lwoff — Jacques Monod
 
Die drei französischen Wissenschaftler erhielten den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie für »ihre Entdeckungen auf dem Gebiet der genetischen Kontrolle der Synthese von Enzymen und Viren«.
 
 Biografien
 
François Jacob, * Nancy (Frankreich) 17. 6. 1920; ab 1956 Laborleiter am Pasteur-Institut (Paris), ab 1960 dort Leiter der Abteilung für Zellgenetik, ab 1964 Professor für Zellgenetik am Collège de France; Arbeiten über die Regulationsmechanismen des Erbguts.
 
André Lwoff, * Ainay-le-Château (Frankreich) 8. 5. 1902, ✝ Paris 30. 9. 1994; ab 1938 Leiter der Abteilung für Mikrobenphysiologie am Pasteur-Institut (Paris), ab 1959 Professor für Mikrobiologie an der Sorbonne (Paris), ab 1968 Leiter des französischen Krebsforschungsinstituts (Villejuif); Arbeiten über Virologie.
 
Jacques Monod, * Paris 9. 2. 1910, ✝ Cannes 31. 5. 1976; ab 1954 Direktor der Abteilung für Zellbiochemie am Pasteur-Institut in Paris, ab 1959 Professor für Stoffwechselchemie an der Sorbonne, ab 1967 Professor für Molekularbiologie am Collège de France, ab 1971 Direktor des Pasteur-Instituts; Forschungen über Stoffwechselchemie, Bakterienwachstum und Enzyme.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Nach zahlreichen Erkenntnissen in der Genforschung war noch eine Frage offen: Wie wird eigentlich das Erbgut selbst kontrolliert? Eine Antwort fanden der Genetiker François Jacob, der Mikrobiologe André Lwoff und der Biochemiker Jacques Monod am Pasteur-Institut in Paris und wurden dafür mit dem Nobelpreis für Medizin des Jahres 1965 belohnt.
 
 Der Aufbau des Erbguts
 
Das Erbgut besteht aus jeweils zwei langen Ketten. Deren Glieder bilden vier Moleküle, die Nucleotide, die sich in unterschiedlicher Reihenfolge zur Erbsubstanz DNS (Desoxyribonucleinsäure, auch DNA; das A stammt vom Englischen Wort »acid« für Säure) aneinander reihen. Die beiden Ketten winden sich ähnlich einer Wendeltreppe umeinander. Diese Struktur wird »Doppelhelix« genannt. Spaltet man diese Helix in die Einzelketten, kann das Enzym DNS-Polymerase jede Hälfte zu einer neuen Doppelhelix ergänzen. In dieser Weise verdoppelt sich das Erbgut, eine Hälfte kann an eine neu gebildete Zelle weitergegeben werden.
 
Die Information über den Bau von Strukturproteinen oder Enzymen ist in der DNS ähnlich einer Sprache codiert. Jeweils drei Nucleotide bilden ein Wort, das exakt eine Aminosäure beschreibt. Aminosäuren sind die Bausteine, die sich zu Ketten aneinanderreihen und so Proteine formen. Da 20 verschiedene Aminosäuren ausreichen, um alle bekannten Proteine aller Lebewesen auf der Erde zu bilden, benötigt die DNS mindestens 20 Wörter für die Übersetzung in Eiweiße. Die vier vorhandenen Nucleotide aber können beliebig miteinander kombiniert werden, es gibt daher deutlich mehr als 20 Code-Wörter.
 
 Das Ribosom, der Kassettenspieler der Zelle
 
Die komplette Erbinformation für ein Protein nennen Wissenschaftler »Gen«. Zunächst kopiert die Zelle die Information eines solchen Gens von einer DNS-Kette auf eine andere Art von Nucleinsäure, die RNS (Ribonucleinsäure, auch RNA). Während die DNS viele verschiedene Gene enthält, ist auf dieser Boten-RNS (Messenger-RNA) nur noch die Erbinformation für ein einziges Eiweiß vorhanden. Der Code der Boten-RNS wird im Ribosom, dem kleinsten Funktionsteilchen der Zelle, in das entsprechende Protein übersetzt. Das Ganze kann man sich wie einen Kassettenspieler vorstellen, der ein recht langes Magnetband am Lesekopf vorbeizieht, an dem magnetische Impulse in Musik »übersetzt« werden.
 
Eine Boten-RNS ist jedoch erheblich kurzlebiger als das Magnetband einer Musikkassette, nach wenigen Abspielungen ist die Boten-RNS verschlissen. Deshalb sollte die DNS für diese Erbinformation relativ kontinuierlich abgelesen werden. Andererseits sollten die Gene keineswegs immer aktiv sein, manchmal müssen sie auch abgeschaltet werden. So gibt es ein Gen, das die Zelle veranlasst, sich zu teilen. Dieser Schritt ist zum Beispiel für eine Hautzelle unerlässlich, um abgestorbene Zellen zu ersetzen oder um Wunden mit neuer Haut zu verschließen. Wäre das entsprechende Vermehrungsgen fortwährend aktiv, würden laufend neue überflüssige Hautzellen produziert. Das Gewebe würde unkontrolliert wuchern und ein Tumor entstünde.
 
 Ein Schalter für die Erbinformation
 
Erbinformationen müssen demnach je nach Bedarf an- und abgeschaltet werden können. Wie dieser Schalter funktioniert, haben Jacob, Lwoff und Monod bei zwei Genen herausgefunden. Eines dient als Vorlage für ein Enzym, das andere ermöglicht einem Virus die Vermehrung, wenn die Umstände sich dafür eignen. Der Mechanismus zur Regulation barg mehrere Überraschungen. Es gibt eine eigene Klasse von Genen, die für die Regulation der Erbinformationen zuständig sind. Operator-Gene nannten die Forscher solche Gene.
 
Eine Gruppe dieser Gene liefert die Vorlage für chemische Botenstoffe, eine andere enthält den Bauplan für Rezeptoren, die eben diese Signale empfangen. Solche Rezeptoren kontrollieren ein oder mehrere andere Gene mit einem raffinierten Mechanismus: Solange ein Botenstoff vom Rezeptor empfangen wird, blockiert dieser das Gen. Demnach kann dort keine Erbinformation abgelesen werden, es wird keine Boten-RNS und damit auch nicht das jeweilige Protein produziert.
 
 Die Vermehrung von Viren
 
Bestimmte Substanzen aber binden sich ihrerseits an den Botenstoff und verhindern so, dass sich dieser an den Rezeptor hängt. Solche Stoffe können von außen in die Zelle gelangen oder in dieser selbst produziert werden. Das mag zum Beispiel bei einem Bakteriophage genannten Virus passieren, das Bakterien befällt. Normalerweise hängt ein bestimmter Botenstoff an dem Rezeptor, der über das Erbgut die Vermehrung des Virus steuert. In diesem Zustand ist die Vermehrung ausgeschaltet. Das ist auch gut so, weil sich Viren nur mithilfe eines Wirts vermehren können.
 
Dringt der Bakteriophage in ein Bakterium ein, hat er diese Chance. Daher ist es nur logisch, wenn er als Signal ein bestimmtes Molekül benutzt, das nur im Bakterium vorkommt. Dieses bindet sich an den Botenstoff und verändert ihn dabei so, dass er sich nicht mehr an den Rezeptor hängen kann. Dadurch wird die Blockade aufgehoben, die bisher die Vermehrungsgene an ihrer Aktivität gehindert hat — das Virus beginnt sich zu vermehren. In einem Bakterium ist das auch die richtige Reaktion, weil dort die einzige Chance zur Vermehrung liegt. Dass heute bekannt ist, welche Mechanismen im Erbgut zur Vermehrung des Virus führen, ist den drei französischen Wissenschaftlern zu verdanken.
 
R. Knauer, K. Viering

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Liste der Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin — Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin wird seit 1901 jährlich vergeben und ist mit 10 Mio. Schwedischen Kronen dotiert. Die Auswahl der Laureaten unterliegt dem Karolinska Institut. Der Stifter des Preises, Alfred Nobel, verfügte in seinem… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”